Da uns Grünen Umwelt- und Klimaschutz eine Herzensangelegenheit ist, berichten wir gern über Projekte in unserem Landkreis, die auf die eine oder andere Weise diese Ziele umsetzen. Hier ein Beitrag über den Bioland-Hof Meidinger in Mintraching. Der Bericht entstand nach einer Exkursion am 18.06.2022 zum Thema Ackerwildkräuter, organisiert von Inge Steidl von der Kreisgruppe Freising des Bund für Umwelt und Naturschutz e.V.
Christina & Christian Meidinger bewirtschaften ihren Hof in der vierten Generation, bis 2009 konventionell. Doch 2006 erhielt Christian Meidinger eine unfreiwillige Dusche – und stellte den landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb auf Bio um. Heute ist er Vollerwerbslandwirt, seine Felder kann man als blühende Landschaften bezeichnen und sogar der Ruf des stark bedrohten Rebhuhns ist in der Mintrachinger Flur wieder zu hören. Kein Wunder, gibt es doch in der kleinen Gemeinde inzwischen 6 Bio-Landwirte.
Wofür steht Bioland e.V.?
Der Verband für organisch-biologischen Landbau, kurz Bioland e.V., setzt sich zum Ziel, die natürlichen Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Luft zu pflegen und aktiven Natur- und Artenschutz zu betreiben. Es gilt, Umweltbelastungen zu vermeiden und Nutztiere artgerecht zu halten. Auch beizutragen, die weltweiten Energie- und Rohstoffprobleme zu lösen, steht auf der Agenda sowie die Erhaltung und Entwicklung freier bäuerlicher Strukturen.
Der Hof der Meidingers liegt mitten im Dorf. Im Schatten unter dem Vordach des ehemaligen Schweinestalls erwartet Christian Meidinger die siebenköpfige Gruppe, die trotz brütender Hitze zusammengefunden hat, um die erfolgreiche Wiederansiedlung von Ackerwildkräutern auf seinen Feldern in Augenschein zu nehmen. Doch bevor es losgeht, erläutert Meidinger seine Wandlung vom konventionellen Nebenerwerbs-Landwirt zum Vollerwerbs-Bioland-Bauern.
Es war ein Cocktail aus Pestiziden und Fungiziden, der sich beim Versuch, eine verstopfte Düse zu reinigen, im Jahr 2006 auf Meidinger ergoss. Was wohl früher oder später beim Hantieren mit Spritzmitteln passieren kann, ließ dem Landwirt keine Ruhe mehr, denn einige Zeit später erfuhr er, dass die von ihm verwendeten Mittel vom Markt genommen werden – weil sie krebserregend und keimschädigend sind. Zuvor jedoch waren sie ordnungsgemäß zugelassen und jahrelang massenhaft ausgebracht worden. Welche Folgen mag das wohl gehabt haben?
Die Zertifizierung als Bioland-Bauer wurde in Angriff genommen. Wer Mitglied im Verband für organisch-biologischen Landbau (Bioland e.V.) werden möchte, muss strenge Kriterien erfüllen. Es ging los mit der Prüfung des Standortes für den Betrieb. Gab es Belastungen durch Schadstoffe aus der Umwelt und aus der vorherigen Nutzung? Bei den Meidingers erwies sich die erst wenige Jahre zuvor errichtete Lagerhalle für Kartoffeln als Problem. Jahrelang wurden die dort lagernden Erdäpfel konventionell mit einem Keimschutzmittel behandelt, damit sie nicht auskeimen. Dieses Mittel, inzwischen ebenfalls verboten, ist sehr langlebig und war im Betonboden, im Verputz der Wände und in der Holzausstattung der Halle nachweisbar. Wände und Betonboden mussten mehrmals geschrubbt, das Holz entfernt und teuer als Sondermüll entsorgt werden.
Auch das Kriterium Luft-, Boden- und Wasserschutz galt es zu beachten. Wer Kartoffeln in der hiesigen Region anbaut, muss bewässern. Dies darf bei Biolandbauern nur ressourcenschonend erfolgen. Noch sei, so Meidinger, der Grundwasserspiegel relativ hoch. Ein neues Bewässerungssystem, das mit bis zu 30 Prozent weniger Wasser als das alte auskommt, ist dennoch schon bestellt.
Wozu Ackerwildkräuter?
Das Bayerische Landesamt für Landwirtschaft beantwortet diese Frage unter dem Titel „Mut zur Vielfalt“ so:
„Weniger als ein Zehntel der Ackerwildkräuter verursachen nennenswerte Ertragseinbußen, Sie sind die Artengruppe mit den meisten gefährdeten Arten in Deutschland. Viele von ihnen haben für Insekten attraktive Blüten oder bieten anderweitig Futter und Lebensraum für Wildtiere.“
https://www.lfl.bayern.de/iab/kulturlandschaft/228150/index.ph
2009 war es geschafft: Die Meidingers wurden Bioland-Bauern. Den Schwerpunkt bildet der Anbau von Kartoffeln in Fruchtfolge mit Getreide, Ackerbohnen und Kleegras, das zweite Standbein ist die Haltung von Legehennen. Die wandern in Freilandhaltung in drei mobilen Ställen über die Flächen. Durch den häufigen Standortwechsel kann immer wieder frisches Grünfutter nachwachsen, andererseits werden die Böden vor Überdüngung und die Grasnarbe vor Zerstörung geschützt.
Natürlich galt es, Erfahrungen zu sammeln – finanziell schmerzhafte waren auch dabei. Einmal mussten 5000 Eier vernichtet werden, weil im Sommer weniger Eier gekauft werden, erst recht in der Urlaubszeit. Wenn man dann, wie Meidinger, auf Direktvermarktung setzt, ist das ein Problem. Aber inzwischen läuft es mit der Direktvermarktung. Einige REWE-Märkte haben die Bio-Kartoffeln im Sortiment – zum vom Bauer festgesetzten Preis. Kartoffeln und Eier kann man auch im Hofladen direkt kaufen.
Während Christian Meidinger erzählt und geduldig Fragen beantwortet, kommen immer wieder Autos in den Hof gefahren, es sind Kunden, die nach kurzem Gruß in dem kleinen hölzernen Hofladen verschwinden und mit Kartoffeln oder Eiern bepackt wieder ins Auto steigen. Schließlich gesellt sich Ehefrau Christine zu uns, und gemeinsam brechen wir auf in die Felder, um endlich die Ackerwildblumen in Augenschein zu nehmen. Weit fahren müssen wir nicht. Schon breiten sich links und rechts des asphaltierten Feldwegs, der schnurgerade in Richtung Gewerbegebiet Römerhof zielt, Getreidefelder aus. Diese jeweils links und rechts vom Weg liegenden Feldflächen, auch Gewende genannt, seien, so Meidinger, fast alle biologisch bewirtschaftet.
Schließlich erreichen wir das Ziel der Exkursion, ein Dinkel-Feld mit Ackerwildkräutern. Wegen der brütenden Hitze halten wir im Schatten einer Hecke. Hier scheinen Hasen zu wohnen, die sich den Dinkel am Feldrand schmecken ließen: Der Bestand an Wildblumen war in der Nähe der Hecke sichtlich größer als im übrigen Feld. Aber was für ein Anblick: Das unerfahrene Auge erkennt Klatschmohn und Margeriten, Profis wie Inge Steidl vom BUND tauchen gleich tiefer ins Feld ein und zählen voller Begeisterung zahlreiche weitere Ackerwildkräuter, darunter den lilafarbenen Frauenspiegel.
Im konventionellen Landbau möchte man keine Biodiversität im Feld. Die bunt blühende Konkurrenz für das Getreide mindert den Ertrag und kann langfristig sehr lästig sein. Manche Wildkräuter wird man zudem nur sehr schwer wieder los. Warum also sät einer wie Meidinger die „Unkräuter“ sogar extra wieder an? Ich frage nach dem finanziellen Verlust, den ihm die Ackerwildkräuter bereiten. Er überschlägt die Kosten: Der Verlust sei für ihn zu verschmerzen.
Auch für Biobauer Meidinger gibt es Unkräuter, die er im Feld nicht haben möchte. Den Sauerampfer beispielsweise. Da müsse man dann per Hand ran und das mache schon viel Arbeit.
Und auch den Drahtwurm, einen Kartoffelschädling, gelte es zu bekämpfen. Da ein Biolandwirt nicht zur Chemiekeule greifen darf, rückt man den Wurm und seinen Larven mit mechanischer Bodenbearbeitung und geschickter Fruchtfolge zu Leibe. Aus diesem Grund müsse er häufiger als seine konventionell anbauenden Kollegen mit dem Trecker über das Feld fahren und verbrauche für den Kartoffelanbau erheblich mehr Diesel – nicht gerade klimafreundlich. Da gebe es nichts schön zu reden.
Aber es zeichnen sich technische Lösungen für dieses Problem ab: Solarbetriebene Roboter mit Kamera-Sensoren, die autonom das Feld befahren und den Boden mechanisch bearbeiten, ähnlich den jetzt schon im Einsatz befindlichen Rasenmäher-Robotern.
Der Kraut- und Kartoffelfäule, einem Pilz, rück man im biologischen Landbau mit Kupfer zu Leibe. Kupfer ist ein Schwermetall. Es ist einerseits notwendiger Mikronährstoff für alle Lebewesen, aber überdosiert giftig. Tatsächlich müsse man sich als Biolandwirt fragen lassen: Ihr bringt da ein giftiges Schwermetall aus, und das soll besser sein, als die im konventionellen Landbau verwendeten Fungizide? Anders als viele synthetisch hergestellte Antipilzmittel – die ebenfalls Kupfer enthalten – verliert die im Ökolandbau verwendete Kupferverbindung im Boden schnell ihre toxische Wirkung. Dennoch kann sich Kupfer dort anreichern. Dies sei beispielsweise bei Dauerkulturen wie Hopfen oder Wein der Fall. Tatsächlich benötige Meidinger nur etwa ein Viertel im Bioland-Anbau zulässigen Höchstmenge an Kupfer. Und beim Anbau in Fruchtfolge vermeide man besorgniserregende Anreicherungen von Kupfer im Boden.
Wir radeln ein Stück weiter des Wegs zurück in Richtung Mintraching, vorbei an einem Soja-Feld. Im Vorbeiradeln erfahren wir: Der Eiweiß-Lieferant Soja gedeiht problemlos. Im kühlenden Schatten einer großen Birke halten wir an. Sie steht am Wegrand und drückt mit ihrem Schatten den Ertrag der ca. 20 Quadratmeter Mischkultur in ihrer Nachbarschaft. Auch das ficht Meidinger nicht an. Im Gegenteil: Im Sinne der Biodiversität und Kühlung des Mikroklimas ist die Birke für ihn absolut erwünscht. Obwohl er immer umständlich um sie herumfahren muss und sie ihm ein paar EUR Ertragseinbuße beschert.
Auf den Feldern bei der Birke gibt es Mischkulturen zu bestaunen: Das eine Feld teilen sich Linse und Gerste. Der Vorteil: Die Gerste stützt die Linse, die ihrerseits nach der Ernte mit ihren Wurzeln den Boden mit Stickstoff düngen wird. Das Gemenge Hafer-Leindotter auf dem Nachbarfeld ist vom Abnehmer der Ernte gewünscht. Diese Firma vertreibt biologisch erzeugte Frühstücks-Cerealien. Die Idee hinter der Hafer-Leindotter-Kombination: Das sogenannte “Drei-Nutzen-Feld”. Es soll nicht nur einen guten Haferertrag gewährleisten, sondern über die Blühwirkung des Leindotters auch den Lebensraum für Wildbienen stärken und damit die Biodiversität fördern. Und: Leindotter ergibt ein leckeres Öl.
Wir verweilen noch lange im Schatten der Birke. Viele Fragen werden gestellt, es wird diskutiert, und plötzlich hören wir ein lautes, knarzendes Rufen aus dem Feld: Ein Rebhuhn scheint sich über unser Geplauder zu beschweren. Und erst in der kurzen Stille wird mir der permanente Gesang von Feldlärchen bewusst. Rebhuhn wie Feldlärche stehen auf Gefährdungsstufe 3, d.h. ihr Bestand ist rückläufig, weil ihre Lebensräume in der Flur durch intensive Landwirtschaft zerstört werden. Umso erfreulicher, dass offenbar wenige Hektar Biolandbau ausreichen, um beiden bedrohten Arten wieder ein Zuhause zu bieten.
Obwohl Christian Meidinger, wie er zugibt, viel arbeiten muss und die Familie seit Jahren nicht in den Urlaub gefahren ist, scheint er ein zufriedener Mann zu sein. Er kann als Vollerwerbslandwirt seine Familie ernähren. Er geht einer sinnhaften Arbeit nach. Der Ertrag beim Getreide steht dem im konventionellen Anbau nicht nach, betont er, und das erfülle ihn mit Stolz. Dennoch blickt er sorgenvoll in die Zukunft. Auch als Biobauer ist er von billigem Diesel abhängig. Werden rasch genug klimaverträgliche Alternativen bereitstehen? Werden wir den Umstieg auf klimaneutrale Energieerzeugung noch rechtzeitig schaffen? Es werde, darin ist sich die Gruppe einig, halt erst richtig weh tun müssen, bevor ein jeder bereit sei, seinen Beitrag zu Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt zu leisten.
Bericht von Jenny Radeck, für inhaltliche Fehler ist allein die Autorin verantwortlich.