Die grüne Verbots- und Miesmachpartei

„Die Grünen passen nicht zu Bayern, und deswegen wollen wir sie auch nicht in der Bayerischen Staatsregierung haben“, so Markus Söders Fazit am Ende einer langen Aufzählung angeblicher Verbote der grünen „Verbotspartei“. Peinlich nur, dass seine Aufzählung vor Scheinheiligkeit und Halbwahrheiten nur so strotzt. Kommentar von J. Radeck.

Mein Favorit unter den 16 von Söder aufgestellten irren Verbots-Behauptungen: Die Grünen wollten E-Zigaretten verbieten. Was schreibt denn da nur der Bayerische Rundfunk am 29.01.2023? „Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) macht sich für ein bundesweites Verbot von Einweg-E-Zigaretten stark. … „Bei Einweg-E-Zigaretten kommt zum unvermeidlichen gesundheitlichen Risiko des Konsums auch noch vermeidbare Umweltverschmutzung hinzu.“ Der Freistaat habe deshalb Anfang Januar eine Bundesratsinitiative beschlossen, um die Einwegprodukte aus dem Verkehr zu ziehen.“

Holetschek
will E-Zigaretten
verbieten

Platz 2 unter den TOP 16 der Peinlichkeiten: Die Grünen wollten Fleisch verbieten. Eine leider wiederholt in unsäglichen Varianten verbreitete glatte Falschbehauptung. Wir Grünen wollen keinesfalls Fleisch verbieten, ermuntern aber zur freiwilligen Reduktion des Fleischverzehrs. Indem wir bspw. auf eigenen Veranstaltungen fleischlose Gerichte anbieten oder indem wir 2013 die Veggie-Day-Initiative unterstützten, welche die Einführung eines fleischlosen Tags in öffentlichen und privaten Kantinen pro Woche vorsah. Artgerechte Tierhaltung ist aus grüner Sicht ein Wesensbestandteil der Landwirtschaft. Wir Grüne setzen uns für eine flächengebundene Tierhaltung  ein, im Sinne des Tierwohls und für die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft. Funfact am Rande: Viele Deutsche haben ihren Fleischkonsum seit 2018 bereits freiwillig reduziert. Von den von Ernährungsfachleuten empfohlenen 300 bis 600 g pro Woche sind wir mit über einen Kilogramm aktuell zwar noch weit entfernt, aber der Trend zeigt: Wir Grünen sind nicht allein.

Luftballons
völlig okay

Auf Platz 3 der Söderschen Irrtümer: Verbot von Luftballons. Hier muss man etwas ausholen: 2019 beschloss der Stadtrat von Gütersloh einstimmig mit den Stimmen der CDU, dass das Steigen lassen gasgefüllter Ballons bei städtischen Veranstaltungen aus Vogelschutzgründen untersagt wird (die Tiere fressen die gelandeten Ballonreste und verenden). Diese Idee wurde von Niedersachsens Grünen-Chefin Kura übernommen, was einen öffentlichen Shitstorm auslöste aufgrund der Unterstellung, die Grünen wollten Luftballons generell verbieten. Landespartei-Chefin Anne Kura stellte daraufhin klar: „Wir fordern kein generelles Luftballonverbot. Luftballons auf Kindergeburtstagen im Wohnzimmer sind völlig okay und machen Spaß.“

Verbot von Kite Surfen: Auch hier liegt der Landesvater voll daneben. Aus Gründen des Vogelschutzes ist das Kite-Surfen an Nord- und Ostsee in Nationalparks teilweise eingeschränkt. Dies geschah auf Initiative des damaligen Umweltministers von Schleswig Holstein, Robert Habeck. Ein generelles Verbot von Kite-Surfen an Nord- und Ostsee gibt es nicht und war auch nie beabsichtigt.

Kite
Surfen
erlaubt

Tier-
Karussells
verboten,
Ponyreiten
erlaubt

Verbot von Ponyreiten auf der Wiesn: Ist Söder etwa kein Tierfreund? Doch halt, erstmal die Fakten: Das Verbot richtet sich nicht gegen Ponyreiten an sich, sondern im Sinne des Tierwohls gegen sogenannte Tierkarussells auf Volksfesten, wo Ponys in einer lauten und lichtintensiven Umgebung stundenlang im Kreis geführt werden. Ponyreiten auf dem Bauernhof oder in der Natur sind nicht im geringsten betroffen. Das Verbot soll sich ausschließlich gegen „Tierkarussells“ auf Volksfesten wie der Wiesn richten.

Verbot von Süßigkeitenwerbung: Nein, die Werbung für Süßigkeiten wird nicht verboten. Lediglich an Kinder gerichtete Süßigkeitenwerbung soll eingeschränkt werden, nicht grundsätzlich, aber im Umfeld von Schulen und Kindergärten und zu den Zeiten im Fernsehen, wo Kinder häufig schauen.

Pflanzenschutzmittel: Die konventionelle Landwirtschaft kann ohne Pflanzenschutzmittel nicht auskommen. Aber ihr massenhafter Einsatz wirkt leider weit über die Anbauflächen hinaus. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass Pflanzenschutzmittel die Hauptursache für den Rückgang der Artenvielfalt sind, die Bodenfruchtbarkeit schädigen sowie Oberflächengewässer und das Grundwasser schädigen.  Aus diesem Grund setzen wir Grünen uns für einen nachhaltigen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln ein. Dies schließt eine Reduzierung auf das notwendige Maß in der konventionellen Landwirtschaft ein. Ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln streben die Grünen nicht an.

Böllerverbot: Zitat von der Webseite der Stadt München Rathaus Umschau 248 / 2022, veröffentlicht am 28.12.2022: „Anwohner*innen, Tiere und die Umwelt können sich in diesem Jahr wieder über eine sicherere und ruhigere Silvesternacht in der Innenstadt freuen, denn zum Jahreswechsel wird es am Marienplatz und in der Fußgängerzone bis einschließlich Stachus sowie dem Viktualienmarkt verboten sein, Feuerwerke abzuschießen.“ Was die Stadt München tut, wollten die Berliner Grünen auch: 2022 eine Fortsetzung des coronabedingten Böllerverbots, um Angriffe mit Böllern auf Polizei und Rettungskräfte in der Silvesternacht zu verhindern und auch aus Gründen des Lärm- und Emissionsschutzes (Feinstaub).

Silvester in
Münchner
Innenstadt:
nur Knallerbsen

Verbot von Atomkraft? Tja. Die Grünen sind aus der Anti-AKW-Bewegung hervorgegangen, und das ist ja nun nix Neues, dass sie konsequent gegen AKW sind – weil es sachliche Gründe für diese Haltung gibt. Nachdem mit dem Atomunfall von Fukushima im Jahr 2011 der zweite Super-Gau innerhalb von nur 25 Jahren die Statistik über die Wahrscheinlichkeit von schweren Atomunfällen zerlegt hatte, stellte sich 2011 wer ganz vorn an die Spitze des Atomausstiegs? Markus Söder. Nach einem parteiübergreifenden Moratorium stufte der Deutsche Bundestag Atomkraft als Hochrisiko-Technologie ein und stimmte auch mit Stimmen von CDU/CSU für den Atomausstieg. Als uns 2021 im Rahmen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Hauptschlagader der Gasversorgung durchtrennt wurde – eine fahrlässig einseitige Abhängigkeit von russischem Gas – erklärten CDU/CSU die auf Ausstieg gewarteten Hochrisiko-Technologie-Meiler wieder zu sicheren grundlastfähigen Arbeitspferden der deutschen Energieversorgung. Eine vollendete 180-Grad-Kehrtwende in der Bewertung der Sicherheit von Atomkraft, ohne dass sich an den sachlichen Gründen für den 2011 überparteilich beschlossenen Atom-Ausstieg irgendetwas geändert hätte.

Konsequent
und aus
sachlichen Gründen:
Atomkraft –
Nein Danke!

Verbot von Ölheizungen. Als das CDU/CSU geführte Bundeskabinett 2019 das Verbot von Ölheizungen für 2026 sowie die Verteuerung fossiler Brennstoffe beschloss, schalt erstaunlicherweise niemand die CDU/CSU noch den Koalitionspartner SPD als Verbotspartei.

Söder schließt mit „Wir sind eine Mitmachpartei. Die Grünen sind eine Miesmachpartei“. Vielleicht wurde hier was verwechselt?