Natur- und Artenschutz in Kranzberg: Einfach machen

Am bitterkalten ersten Sonntag im April fanden sich 15 Kranzberger Bürger:innen zur Wanderung unter dem Thema „Artenschutz in Wald und Flur“ bei der Pestsäule in Kranzberg ein. Der fachkundige Führer der kleinen Exkursion war Manfred Drobny, Biologe und Geschäftsstellenleiter des BUND Freising e.V. Lest hier, welche Naturschutzprojekte es vor Ort gibt und welche (noch) nicht.

Wandergruppe auf dem Weg zum Kranzberger Forst

Ein Bericht von Jenny Radeck, Fotos: Michael Radeck.

Manfred Drobny zeigt auf viel zu schmalen Ackerrandstreifen.
Fast nix mehr da vom Feldrain.

Schon knapp 50 Meter nach dem Start der erste Stopp. Der Grund: Der Acker-Randstreifen oder Feldrain. Genauer: der sehr eingeschränkte bis nicht mehr vorhandene Feldrain. Feldraine sind im Idealfall mindestens 1 m breite Streifen mit natürlichem Bewuchs zwischen Ackerfläche und Weg. Eigentlich gehörten Feldraine seit jeher zu unserer Kultur-Landschaft. Aus vielerlei Gründen sind sie jedoch inzwischen fast überall in der Kranzberger Flur bis auf kümmerliche Reste verschwunden. Oder es seien, wie Drobny sinniert, die Äcker sind breiter geworden.

Intakte Feldraine leisten einen sehr wertvollen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt, auch für Wildbienen, deren Bestäubungsleistung – wie Biologe Drobny betont – die der Honigbienen bei Weiten übertrifft. Die auf Feldrainen typischerweise wachsenden Wildblumen und Kräuter bieten einer Vielzahl von Arten Nahrung und Lebensraum. Ein Stück Wegs weiter, kurz vor dem Eingang zum Kranzberger Forst, schmiegt sich linker Hand eine natürliche Schräge zwischen Acker und Feldweg, die für landwirtschaftliche Nutzung zu steil ist. Hier, so wird aus der Gruppe berichtet, blüht es sommers durchaus erfreulich bunt – bis gemäht wird.

Das Mähen an Wegrändern ist natürlich immer dann gerechtfertigt, wenn es der Verkehrs-Sicherheit dient, und der vermeintliche Feldweg ist tatsächlich eine Straße, die mit dem Pkw befahren werden darf. In früheren Zeiten wurden Feldraine von Ziegen oder Schafen abgeweidet oder von Hand ein- oder zweimal pro Jahr gemäht, heute schreitet die Straßenmeisterei oder der Bauhof zur Tat. Mäht man zum richtigen Zeitpunkt und lässt einen Teil der Pflanzen als Überwinterungs-Schutz für Insekten stehen, kann man Verkehrs-Sicherheit und Artenschutz durchaus vereinen.

Manfred Drobny erläutert Nutzen von Ackerrandstreifen.
Es gibt einen Unterschied zwischen Feldrainen und Blühstreifen. Erstere sind schlicht unbearbeitete Ackerrandstreifen mit den dort natürlicherweise vorkommenden Ackerwildkräutern, letztere werden mit speziellen Saatmischungen angelegt.

Wandert man mit einem Biologen auf vertrauten Wegen, merkt man auf bei Sätzen wie: „ …und hier die schöne Eiche, die hunderten Arten von Insekten Lebensraum bietet … wahrscheinlich die einzige artenreiche Insel im Umkreis von hunderten Metern …“ und tatsächlich, am Eingang zum Hohlweg, den man schon hunderte Male passiert hat, steht eine stattliche Eiche. Erstaunlich. Noch nie gesehen vorher. Dieses kurze Stück Hohlweg mit seinen steilen Wegrändern bietet mutmaßlich auch einem Dachs Unterschlupf. In die erdigen Abbruchkanten bauen zahlreiche Insekten ihre Höhlen hinein. Der alte Hohlweg als Mini-Wildnis: Weißdorn und Haselnuss dürfen sich an die steilen Schrägen klammern, weil wir Menschen sie nicht nutzen können, und bieten wertvolle Lebensräume, die der unbedarfte Spaziergänger als wenig aufregende, wild wachsende Gehölze wahrnimmt.

Manfred Drobny erläutert Nutzen von Gehölzinseln und Hecken.
Die Schlehe (rechts im Bild) ist ein Frühblüher, was Insekten klasse finden, und ihre Früchte dienen Vögeln als Nahrung. Aber: Die Schlehe breite sich aber auch ganz gern aus, so Drobny.

Wir haben den Eingang zum Kranzberger Forst noch nicht erreicht, da rückt ein neues Thema ins Blickfeld: eine Schlehe und Obstbäume am rechten Wegesrand. Die Schlehe steht als einsamer Vertreter der nicht mehr vorhandenen Gehölze und Hecken, die vor der Flurbereinigung Anfang der 70er Jahre zahlreichen Insekten, Singvögeln und Kleintieren Nahrung und Unterschlupf und weitere Vorteile für das Mikroklima boten, aber den entscheidenden Nachteil hatten, der Bewirtschaftung mit großem Gerät im Wege zu stehen.

Ja, da ist er wieder: Der ewige Konflikt zwischen Mensch und Natur. Da wo sie wuchert, wo sie wild ihre Samen streut und Getreide verunreinigt, wo sie Schatten wirft und im Wege steht, da wird sie als Problem gesehen, als etwas, das in der Landwirtschaft Extra-Arbeit macht bzw. Extra-Arbeitszeit kostet bzw. Kosten verursacht … aber sollte sich dieser Konflikt nicht befrieden lassen?

Die schwere Frage im Gepäck, wie sich Nahrungsmittelsicherheit und Naturschutz unter einen Hut bringen lassen, betreten wir den Wald. Genaugenommen: den Forst. Oder auf Bayerisch: Mir gangen ins Holz. Der Kranzberger Forst ist ein Holzacker. Ließe man den Bäumen die Freiheit, selber zu entscheiden, wo sie stehen wollen, würden sich nur sehr wenige Fichten die Gegend um Kranzberg aussuchen. Die Douglasie wurde im Grunde auch gegen ihren Willen aus Nordamerika nach Kranzberg verschleppt, hält sich aber ganz wacker und fremdelt noch ein bisschen mit der heimischen Fauna. Ihre zerriebenen Nadeln duften exotisch frisch nach Zitrone.

Blick auf den Kranzberger Forst.
Blick auf den Kranzberger Forst. Seine Waldbauern und die Forstverwaltung müssen im Interesse ihrer hölzernen Schützlinge einen weiten Blick in die Zukunft zu werfen. Da steht jetzt der Klimawandel mitten im Bild, bedrohlich, mit vielen Unwägbarkeiten. Im Kranzberger Forst setzt man seit Längerem schon auf größeren Artenreichtum, auf dass die Baumarten, die mit dem veränderten Klima am besten klarkommen, überleben.

Endlich nähern wir uns einem erfreulichen Beispiel Europäischer Artenschutzpolitik in Form eines Tümpels. Mitten im Wald links am Wegesrand der Straße nach Hohenbachern liegt der neu geschaffene Laichplatz für den sehr selten gewordenen Kammmolch. Der männliche Kammmolch schmückt sich mit einem gezackten Rückenkamm und ist ein Vertreter der Amphibien, die sich als Landwirbeltiere dadurch auszeichnen, dass sie Gewässer zur Vermehrung benötigen. Idealerweise Tümpel oder Teiche ohne Fische, weil die den Laich gleich wegfuttern.

Blick auf den neu angelegten Tümpel im Rahmen der Fauna-Flora-Schutzgebiete.
Der neue Laichplatz für Amphibien. Leider, so Drobny, setzten Gartenteichbesitzer gern überzählige Goldfische in Tümpeln und Teichen aus. Der Goldfisch, „das Wildschwein des Wassers“, ist sehr robust, vermehrungsfreudig und frisst den Amphibienlaich ratzeputz weg.
Foto von männlichem Kammmolch in Aquarium.
Ein männliches Exemplar des Nördlichen Kammmolchs. In einem Aquarium. Der Kammmolch ist in Anhang II der FFH-Richtlinie als schutzwürdig aufgeführt. Foto: Rainer Theurer (gemeinfrei).

Die Anlage dieses Tümpels, so Drobny, gehe auf die Europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von 1992 zurück, die 1998 ins deutsche Bundesnaturschutzgesetz einfloss. Beinahe noch faszinierender als die leider im Tümpel grad abwesenden Kammmolche erscheint mir die Tatsache, dass das große Europa sich auf den Schutz eines kleinen Molchs verständigen konnte und dass deswegen in unserem Kranzberger Forst Laichgewässer angelegt werden.

Ich frage nach: Wer habe denn jetzt konkret diese Tümpel in den Wäldern im Landkreis angelegt? Die Forstverwaltung habe den Tümpel angelegt. Das sei ja auch kein großer Aufwand, so Drobny.

Mit etwas aufgehellter Stimmung aufgrund der Tatsache, dass in Bayern Schutzgebiete für Amphibien eingerichtet werden, verlassen wir den Wald Richtung Viehhausen. Nach einem kurzen Stück Wegs wieder ein Stopp. In der Senke bei Viehhausen öffnet sich nach Nordwesten ein „Amphitheater“, wie Manfred Drobny die Landschaftstopographie dort beschreibt. Links und rechts von einem Graben steigen sanft die beackerten Hügel des Tertiären Hügellands an. Diese Äcker entwässern in den fast schnurgeraden Graben in ihrer Mitte, der in ein dickes Rohr unter dem asphaltierten Fahrweg, auf dem wir stehen, mündet, und hinter unseren Rücken das Wasser weiter bergab führt bis mutmaßlich in die Moosach im Freisinger Moos. Ein vertrauter, harmloser Anblick.

Blick auf Entwässerungsgraben.
Links und rechts sanft ansteigende Hügel, in der Mitte unter dem Schnee verborgen ein relativ gerader Entwässerungs-Graben, wie es viele gibt. Infolge der Klimaerwärmung wird eine Zunahme von Starkregen-Ereignissen vorausgesagt. Fließt das Wasser über Gräben und Bäche zu schnell in die Flüsse ab, erhöht sich die Flutwelle – mit dramatischen Folgen für die Anwohner.

Aber die unscheinbaren Gräben haben es in sich. „Das Wasser fließt zu schnell ab. Es reißt auch Sediment mit sich und bringt dieses in die Flüsse ein.“ Die Fließgeschwindigkeit müsse, so Drobny, durch Hindernisse verlangsamt werden und man müsse dem Wasser die Möglichkeit geben, sich großräumiger zu verteilen – auch als Speicher für trockenere Zeiten. Die vielen schnurgeraden, schnell entwässernden Gräben seien auch von den Wasserwirtschaftsämtern als Problem erkannt. Problem erkannt, Gefahr gebannt? So einfach sei es, leider, nicht.

Problem erkannt, Gefahr gebannt? So einfach sei es, leider nicht. Die Besitzverhältnisse. Die Kosten. Desinteresse.

Die Besitzverhältnisse. Die Kosten. Desinteresse. Wer sich, wie Manfred, Drobny, dem Umwelt- und Naturschutz verschrieben hat, braucht offenbar eine hohe Frustrationstoleranz. Ich frage nach. Die kurze Antwort kommt überraschend direkt: „Es gibt Menschen, die hassen die Natur oder sie ist ihnen egal.“ Besonders fatal, wenn solche Menschen Maßnahmen anordnen oder durchsetzen können, die allen Erkenntnissen des Natur-, Umwelt- oder Katastrophenschutzes widersprechen. Oder die eben nicht handeln, obwohl es eigentlich (rechtlich) geboten schiene.

Wir gehen zurück Richtung Pestsäule. Eine einsame Lerche schmettert als schwarzer Punkt vor grauem Himmel ihr Solo (kein anderer Vogel zu hören) in den kalten Wind.

Am Ende der kleinen Wanderung hängt mir vor allem ein Satz nach: Einen Tümpel anlegen ist kein großer Aufwand. Ich vermute, auch Feldraine wieder herzustellen ist an sich keine große Sache und nehme mir vor, dem mal nachzugehen. In unserer intensiv genutzten Kranzberger Flur kleine Inseln der Artenvielfalt anzulegen, dürfte technisch einfach sein. Es sollen nicht die Landwirte allein die Kosten und die Arbeit damit haben. Hatten wir Kranzberger nicht just an diesem ersten Aprilwochenende bewiesen, dass wir uns ins Zeug legen und das Angenehme (Feiern) mit dem Nützlichen (Spenden) vereinen können, um anderen zu helfen, denen der Krieg ihr Zuhause genommen hat?

Einen Tümpel anlegen ist kein großer Aufwand.

In unserer unmittelbaren Nachbarschaft sind viele Lebewesen in Not, die keine für uns hörbaren Stimmen haben. Wir Menschen lassen ihnen keinen Raum mehr, vergiften und zerstören ihre Habitate, ihr Zuhause. Bis der Frühling uns einmal mit sehr lauter Stille grüßen wird. Warum suchen wir als Gemeinde nicht jetzt das Gespräch mit Eigentümern und Pächtern der Flurflächen, um einvernehmliche, fachgerechte und praktikable Lösungen zur Wiederherstellung von Lebensräumen in Form von Feldrainen und Gehölzinseln zu finden? Würden sich nicht Bürger:innen finden, die bereit wären, aktiv mitzuhelfen bei Einrichtung, Pflege und Erhalt der Mini-Habitate für Wildpflanzen und Insekten, und sei es durch Spenden oder Patenschaften?

Der Lohn für diese Mühe: nicht nur grüne, sondern wieder mehr blühende, Auge und Seele erfreuende und mit Vogelgesang erfüllte Landschaften für die zahlreichen Kranzberger Spaziergänger-, Fahrradfahrer- und Sportler:innen, die uns selbst an diesem saukalten Aprilsonntag begegneten. Wichtiger noch: Wir leisteten einen ganz eigennützigen Beitrag zum Erhalt der für das Überleben aller Wildpflanzen und unsere Lebensmittelproduktion extrem wichtigen Bestäuber wie Wildbienen, Falter und Käfer. Warten wir nicht, bis die Feldraine in einen Anhang der FFH-Richtlinie als schutzwürdig aufgenommen werden (sie sind es aktuell nicht). Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, das können wir Kranzberger doch. Gehen wir es selber an. Jetzt!

Einfach mitmachen!

Wer sich in Kranzberg für die Einrichtung und den Erhalt von Feldrainen, Blühstreifen und Gehölzen engagieren oder Kritik oder Anregungen loswerden möchte, kann hier per E-mail an info (at) gruene-kranzberg.de mit uns Kontakt aufnehmen.